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Study 1 Antisemitic Hate Speech Social Media Diaries

Willkommen auf unserem Blog!

Liebe Leserinnen und Leser,

wir möchten Sie herzlich auf unserem Forschungsblog begrüßen, in dem wir die Entwicklung unseres Projekts, unsere Forschungsergebnisse sowie unsere Gedanken zu aktuellen Entwicklungen im kollektiven Kampf gegen Antisemitismus zusammenfassen.

Dieser erste Blogbeitrag ist speziell unserer ersten Studie gewidmet, die wir Anfang 2022 durchgeführt haben. Ihr Hauptziel war es, die verschiedenen Arten von antisemitischen Äußerungen aufzudecken und zu analysieren, denen junge Menschen täglich in ihren Social Media Feeds begegnen. Zu diesem Zweck rekrutierten wir 47 Teilnehmer*innen, die ihre Social-Media-Kanäle über einen Zeitraum von drei Wochen beobachteten. In dieser Zeit sollten sie täglich etwa 15 bis 20 Minuten damit verbringen, wie gewohnt durch ihre Feeds zu scrollen, um zu sehen, ob sie Beiträge oder Kommentarstränge finden, die sich auf eine Reihe von relevanten Themen beziehen. Dazu gehörten:

  • Postings, die jüdisches Leben im Alltag thematisieren;
  • Diskussionen über Israel und den Zionismus, den Nahostkonflikt, Palästina oder die Intifada;
  • Gespräche, in denen Antisemitismus erwähnt wird, auch im Zusammenhang mit dem Holocaust, der deutschen Schuld, dem Zweiten Weltkrieg, den Konzentrationslagern oder dem Faschismus;
  • und schließlich Berichte über mächtige Personen, die über geheimes Wissen über die Menschheit verfügen.

 

Unser engagiertes Team analysiert derzeit alle Beiträge, die wir aus den uns zugesandten Social-Media-Tagebüchern erhalten haben. Insgesamt haben wir 1100 Beiträge gesammelt. Da einige der Beiträge und damit verbundenen Themen sehr lang waren, wurden sie aufgeteilt, so dass insgesamt 2222 Daten entstanden. Um unsere Daten zu interpretieren, verwenden unsere Teams am Touro University Berlin und an der Universität Potsdam eine Technik, die als „Qualitative Inhaltsanalyse“ (oder „QCA“ vom englischen Begriff „Qualitative Content Analysis“) bekannt ist. Wir haben unsere Arbeit in fünf separate Schritte unterteilt, in denen wir:

  • das Thema eines jeden Beitrags identifizieren;
  • entscheiden, ob es sich um einen antisemitischen Beitrag handelt oder nicht; alle oberflächlichen Merkmale aufzeichnen (z. B. die Anzahl der Likes, Shares und Kommentare, die er erhalten hat);
  • Wenn wir entscheiden, dass ein Beitrag tatsächlich antisemitisch ist, bestimmen wir, ob die Hassrede gegen jüdische Menschen explizit ist oder ob sie versteckt ist und nur implizit im Text vorkommt;
  • die Intensität der gegen Juden*Jüdinnen gerichteten Hassrede zu erfassen;
  • und schließlich markieren wir die Art der Argumente, mit denen antisemitische Positionen in den einzelnen Beiträgen oder Kommentaren untermauert werden.

 

Unsere Entscheidungen über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von antisemitischer Hassrede orientieren sich zum Teil an der IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus. Sie stützen sich jedoch auch auf die wissenschaftliche Arbeit einer Reihe von Forscher*innen auf diesem Gebiet, die alle leicht unterschiedliche Aspekte des Antisemitismus betonen. Dazu gehören unter anderem die Darstellungen von Volkov (2000) und Schwarz-Friesel (2019), dass Antisemitismus eine Reihe von Stereotypen über jüdische Menschen ist, die dazu dienen, sie als „die anderen“ darzustellen. Diese Stereotype sind tief in unserer Kultur sowie in unseren Denk- und Gefühlsstrukturen verankert. Wir stützen uns auch auf Schäubles (2012) Klassifizierung von christlichem Antisemitismus, rassistischem Antisemitismus, modernem oder sekundärem Antisemitismus. Darüber hinaus beziehen wir uns auf die Arbeiten von Bergmann und Erb (1986) sowie Ionescu und Salzborn (2014), die die Tendenz zur Verwendung von Codes und impliziten Diskursen zur Diskussion antisemitischer Inhalte in der deutschen Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg diskutieren. Unser breit gefächertes Verständnis des Phänomens ermöglicht somit eine umfassende und differenzierte Analyse der heutigen Erscheinungsformen antisemitischer Hassrede in sozialen Medien.

Neben der QCA nutzt unser Team aus Bielefeld die Konversationsanalyse als Methode, um die Social-Media-Posts aus Studie 1 zu analysieren. Diese Technik konzentriert sich auf die Art und Weise, wie sich Online-Kommentarverläufe in interaktiven Settings entwickeln, und eignet sich besonders gut für die Untersuchung von Gegenrede in sozialen Medien. Denn sie kann aufzeigen, wie (un)wirksam unterschiedliche Argumentationsmuster sind, um antisemitische Hassrede zu reduzieren und Verständnis und Kooperation zu fördern. Dazu untersucht das Bielefelder Team lange Kommentarstränge, die den Austausch unterschiedlicher Meinungen und Standpunkte zum Thema dokumentieren, um herauszufinden, wie Social-Media-Nutzer auf die Kommentare der anderen reagieren.

Insgesamt diente Studie 1 als Sprungbrett innerhalb des vierjährigen Forschungsdesigns von RESPOND!, das sich auf die Entwicklung eines Programms zur Förderung der Medienkompetenz junger Menschen auf dem Weg zur Bekämpfung von Antisemitismus konzentriert. Gleichzeitig hofften wir, die Fähigkeiten unserer Teilnehmer*innen zu verbessern, antisemitische Hassreden im Internet zu erkennen und zu bekämpfen, indem wir uns die Zeit nahmen, sie nach Abschluss der Datenerhebung für unsere erste Studie sorgfältig zu befragen. In diesen Nachbesprechungen hatten alle Teilnehmer*innen die Möglichkeit, mit einem unserer Studienleiterinnen über ihre Erfahrungen, Beobachtungen und Unsicherheiten zu sprechen, die bei der Erstellung ihrer Medientagebücher aufgetreten waren. Wir waren wirklich überwältigt und beeindruckt von dem Ausmaß der Nachdenklichkeit und des Engagements unserer Teilnehmer*innen für den Forschungsprozess! Viele von ihnen haben sich mit ihrer Familie und ihren Freund*innen zusammengetan, um wichtige Gespräche über ihre Erfahrungen zu führen, und die meisten von ihnen haben ihre Bereitschaft bekundet, auch künftige Studien im Rahmen von RESPOND! zu unterstützen. Wir sind ihnen sehr dankbar für all ihre Hilfe!

Während die Analyse der Daten unserer Studie 1 noch läuft, sind wir bereits dabei, Teilnehmer*innen für unsere zweite Studie zu sammeln und zu rekrutieren. Aufbauend auf den Medientagebucheinträgen, die uns die Teilnehmer*innen unserer ersten Studie zur Verfügung gestellt haben, konzentriert sich die zweite Studie auf eine genauere Untersuchung der Stärken und Schwächen junger Menschen im Umgang mit antisemitischen Hassreden im Internet. Zu diesem Zweck führen wir Gruppendiskussionen mit Teilnehmer*innen aus dem Raum Berlin, Bielefeld und Potsdam durch. Hört sich das für Sie interessant an? Dann melden Sie sich bitte per E-Mail bei uns! Wir würden uns freuen, wenn Sie an unseren Studien teilnehmen würden!

Bitte zögern Sie nicht, uns Ihre Meinungen und Fragen zu RESPOND! in den Kommentaren mitzuteilen. Wir freuen uns sehr über Ihre Meinung zu unserer Arbeit!

Ihr RESPOND! Team

 

Literaturverzeichnis:

Bergmann, W. & Erb, R. (1986). Kommunikationslatenz, Moral und öffentliche Meinung. Theoretische Überlegungen zum Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland (S. 209-222). In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 38.

Bernstein, J., Chernivsky, M., Rensmann, J., & Spaney, M. (2020). Antisemitismus an Schulen in Deutschland: Befunde – Analysen – Handlungsoptionen (1. Auflage). Beltz Juventa.

Schwarz-Friesel, M. (2019). Judenhass im Internet: Antisemitismus als kulturelle Konstante und kollektives Gefühl. Hentrich & Hentrich.

Schwarz-Friesel, M. (2020). Israelbezogener Antisemitismus und der lange Atem des Anti-Judaismus – von Brunnenvergiftern, Kindermördern, Landräubern‘. Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (Hg.):  Wissen schafft Demokratie. Schwerpunkt Antisemitismus8, 42-57.

Volkov, S. (2000). Antisemitismus als kultureller Code. Zehn Essays. Beck. 



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